“An der Herausforderung wachsen!”
Autorin: Barbara Larisch
Hallo, mein Name ist Barbara Larisch und ich bin stammzelltransplantiert. Jedes Jahr im Juni feiere ich meinen 2. Geburtstag genauso wie meinen tatsächlichen.
Ich bin von Beruf MTA. 1998 habe ich durch Zufall mit meinem Chef und meinen Kolleginnen meine eigene Diagnose gestellt. In einem sehr warmen Sommer ging es mir über einen längeren Zeitraum nicht gut und ich dachte erst an eine Sommergrippe. Nachdem sich mein Zustand nicht wirklich besserte, begann mein Hausarzt mit einer ausführlichen Diagnostik. Zeitgleich haben wir in den verschiedenen Abteilungen im Labor Untersuchungen gemacht – MTA´s mach so was, wir sitzen ja an der Quelle. Zu dem Zeitpunkt hatten wir ein neues Gerät für die Messung von Blutbildern bekommen und der Techniker kam, um Einstellungen für die Messung von Tierblut vorzunehmen. An dem Morgen hatten wir gerade mein Blutbild analysiert und das Ergebnis war noch in der Anzeige sichtbar. Der Techniker warf einen Blick darauf und sagt ganz beiläufig: „Ach, sie haben gerade eine CML gedifft und wie gut ist das Ergebnis im Vergleich zum Ausstrich?“ Doing!! Er hat ausgesprochen, was wir alle insgeheim befürchtet hatten. Ist es tatsächlich eine Leukämie?
Der Flurfunk funktionierte gut, so erfuhr mein Chef davon und hat dann direkt entsprechende Tests angeordnet. Noch bevor mein Hausarzt so weit war, hatten wir bereits die Bestätigung aus dem Fachlabor. Ich habe Leukämie – was nun?
Nach weiteren Tests und Besprechungen stand fest: Eine Knochenmarktransplantation wäre das Beste, um eine gute Heilungschance zu haben. Alle anderen Therapieformen, die es heute gibt, steckten damals noch in den Kinderschuhen oder waren nur in klinischen Studien zu haben. Ich wollte Heilung! Und diese zu 100 %! Ich war fest überzeugt: Wenn schon so eine Erkrankung, dann steh ich das durch und werde wieder gesund! Keine Kraft verschwenden für Zweifel!
Mit den ersten Gesprächen in der Klinik kamen die Angst und die Unsicherheit, auch in der Familie. Wie soll das alles gehen? Wie lange dauert das? Wie soll die ganze Logistik gestemmt werden? Waren wir doch gerade nach Hessen gezogen und die Klinik 200 km weit entfernt.
Mein Chef hat mich bis zum letzten Arbeitstag unterstützt, die Kolleginnen, die Arbeit, die Normalität und die Familie gaben mir den nötigen Halt.
Die Transplantation läuft bei jedem anders, das weiß ich heute. Ich bin einigermaßen fit entlassen worden, aber schnell stand fest, meine Leber hat eine Gvhd. Als nächstes kamen Infektionen und die trockenen Augen dazu. Dann hat meine Bauchspeicheldrüse angefangen zu zicken. Fatigue und jahrelanges Cortison haben mich an den Rand einer Depression gebracht. Ein ständiger Kampf- ein ständiges Berg und Tal. Und so kam ich zur Selbsthilfe. Die Selbsthilfegruppe Berg und Tal hat mir gezeigt, dass es anderen Betroffenen ähnlich geht und ich nicht alleine mit all meinen spezifischen Problemen bin, die selbst mein Hausarzt nur deshalb verstand, weil er selbst Nieren-transplantiert war.
Ich bin Jahr für Jahr über Berge geklettert und durch Täler gewandert. Ein langer Weg, bis ich endlich Frieden mit mir, meinen Einschränkungen und mit meiner neuen Lebensqualität gemacht habe. Anders, aber extrem lebenswert. Ich bin neue Wege gegangen, habe meine Neugier nie verloren und mich für die Selbsthilfe fortgebildet. Die Kompetenz-Seminare haben auch meine Persönlichkeit gestärkt und so habe ich auch den Mut gefunden, eine neue Sprache, Segeln und Fotografieren zu lernen.
Nach vielen Jahren heimatnahen Urlaubs haben wir uns wieder weiter weg gewagt und schließlich sogar 2017 Indochina bereist. Mit allen Impfungen, Medikamenten, jeder Menge Vorsicht und Zuversicht im Gepäck. Alles gut gegangen!
Ich habe dann im Sport Gas gegeben und tatsächlich mein Übungsleiter-Schein für Erwachsene und Ältere gemacht und gebe nun selbst Sportkurse. So wie ich es kann.
Seit vielen Jahren engagiere ich mich in der Selbsthilfegruppe Berg und Tal e.V., um Patienten und Angehörige durch die Transplantation zu begleiten und ihnen auch danach zur Seite zu stehen. Gerne und regelmäßig arbeite ich mit dem Institut PatientenErleben in Essen zusammen. Die verschiedenen Sichtweisen auf Dinge ergänzen sich ganz wunderbar. Seit 2021 bin ich stellvertretende Sprecherin im Patientenbeirat des Westdeutschen Zentrums für Organtransplantation. Hier habe ich die Chance, als Betroffene die Versorgung von Patienten zu verbessern!
Den Patienten als Mensch mit all seinen Bedürfnissen zu sehen und zu versorgen, dafür trage ich mit meiner ganz persönlichen Perspektive auf die Dinge bei. Denn so hat die Erkrankung, an der ich extrem gewachsen, durchaus bin einen Sinn gehabt.